Darren Bader – The World as Will and Representation

Darren Bader – The World as Will and Representation

Darren Bader, The World as Will and Representation, Kölnischer Kunstverein, 2015, Installationsansicht, Foto: Simon Vogel

Ausstellung geöffnet ab 5. Februar 2015, 19 Uhr
Ausstellung: 6. Februar – 22. März 2015

In der ersten institutionellen Einzelausstellung von Darren Bader in Europa scheint alles anders als erwartet: Nicht nur, dass die Schau im Kölnischen Kunstverein dreierlei Titel trägt, am 6. Februar beginnt, jedoch erst am 27. desselben Monats offiziell eröffnet. Auch die Exponate erwecken den Eindruck, nur schwer greifbar zu sein. So sieht Bader es vor, einige seiner Werke von Woche zu Woche in unterschiedlichen Bereichen innerhalb oder auch außerhalb des Gebäudes zu präsentieren. Andere wiederum werden nur für kurze Zeit Bestandteil der Ausstellung sein.

Doch nicht allein Form und Ablauf der Ausstellung trotzen vermeintlichen Parametern des Ausstellens. Auch die 31 für die Schau vorgesehenen Werke – darunter Klangarbeiten, Filme, Textarbeiten, Objekte und Installationen – versprechen einige Überraschungen. So entsprechen die Arbeiten Baders meist nur in geringem Maße den gängigen Vorstellungen, was ein Kunstwerk sei. Dies ist nur am Rande darauf zurückzuführen, dass Bader in vielen seiner Werke auf die mittlerweile über ein Jahrhundert alte Tradition des von Marcel Duchamp begründeten Readymade-Prinzips rekurriert und alltägliche Objekte zu Kunst erklärt. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eher der Gesichtspunkt, wie Darren Bader den besagten Gedanken einsetzt und welche Implikationen sich mit den Arbeiten verbinden. Mit vielen Arbeiten verbinden sich nämlich bestimmte Bedingungen, Aufgaben und Herausforderungen, die definieren, wie mit dem jeweiligen Objekt umzugehen ist. Im Unterschied zu seinem französischen Kollegen integriert Bader insofern viel stärker den Rezipienten in seine Arbeiten. Bei der verlockend klingenden Arbeit Pretty Face, die wie alle Werke des Künstlers undatiert ist, bestimmt jeder Besucher individuell, was ein „schönes Gesicht“ ausmacht. Der künstlerische Beitrag liegt somit allein in der Definition des Rahmens, während dem Rezipienten die Aufgabe zukommt, eine Wahl zu treffen. Je nach Besucher kann die Kür somit unterschiedlich oder sogar gar nicht erfolgen.

Fragen nach der Autorschaft, wie sie bei Pretty Face evoziert werden, kennzeichnen auch Arbeiten wie To Have and to Hold – object J1, bei der die – zumeist optionalen – Aufgaben und Möglichkeiten des Besitzers noch deutlicher zum Tragen kommen: Das Werk basiert auf der Idee, dass der Eigentümer der Arbeit ein Buch über Candida Höfers Fotografien von On Kawaras Datumsbildern erwirbt, es ein Jahr lang studiert, beliebig lang weitere Exemplare der Publikation ansammelt und diese schließlich in den Alltag anderer Personen einführt. Die Erscheinungsform der Arbeit ist somit keinesfalls statisch, sondern – in Abhängigkeit vom Sammler – in einem steten Prozess.

Eine andere Form der Beschäftigung mit Fragen nach der Autorschaft zeigt sich zudem in der Arbeit 110 x 5 x 166.5 cm, bei der es sich um die Fotografie von einem Jungen in den angegebenen Maßen handelt. Für die Umsetzung dieser Arbeit betätigte sich Bader nicht etwa als Fotograf, sondern kaufte das Werk eines Kollegen, das er im Folgenden als seine eigene Kreation ausgab und die fotografische Arbeit dabei zu einer Skulptur umdeklarierte. Unweigerlich lässt sich in diesem Akt nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen des Kunstmarktes nachvollziehen, sondern auch die scharfsinnige Untersuchung, wann und wie etwas zu einem Werk wird.

Über die klassische Konzeptkunst, mit der das Schaffen von Darren Bader immer wieder in Beziehung gesetzt wird, gehen die sich in den erwähnten Arbeiten widerspiegelnden Gedanken weit hinaus. Insbesondere die Momente des Absurden, die in vielen Stücken nachvollziehbar sind, repräsentieren ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zu der in den 1960er Jahren begründeten Kunstrichtung. Das Abwegige und Aberwitzige mancher Werke weist vielmehr in Richtung Surrealismus, der im Zuge einer intensiveren Auseinandersetzung mit Baders Praxis als wichtiger Einfluss erkennbar wird. Dieser Umstand tritt besonders deutlich in einer Werkgruppe hervor, für die Bader gegensätzliche Objekte, Begriffe und Gedanken zu Paaren zusammenfasst und damit auf eine Strategie rekurriert, die von der französischen Avantgardebewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts formuliert wurde. Im Rahmen der Ausstellung zählen zu dieser Gruppe perfume with/and trapezoid, pair of jeans and/with $228, patella with/and theater tickets, sugar and/with axe sowie glasses with/and glasses, für die potentiell jeweils x-beliebige Repräsentanten der verschiedenen Objekte genutzt werden können. Dabei lässt sich insbesondere aufgrund der Alltäglichkeit der verwendeten Gegenstände ein starker Unterschied zu den Werken des Surrealismus ausmachen, da diese zumeist eindeutiger als Kunstwerke konzipiert waren.

Die Tatsache, dass Bader für die Mehrheit seiner Arbeiten auf vorgefundene Gegenstände zurückgreift, erschwert in vielen Fällen die Möglichkeit, Objekte mit Bestimmtheit als Exponat zu erfassen. Dieser Faktor lässt daher auch das Bestreben erahnen, die Grenzen zwischen Kunst und Nicht-Kunst auszuloten und diese ggfs. gänzlich aufzulösen. Im Kölnischen Kunstverein treibt der Amerikaner die besagten Ambitionen insbesondere mit Werken wie person sitting in passenger seat of car auf die Spitze, für das vor dem Ausstellungshaus zu bestimmten Zeiten – wie der englischen Bezeichnung gemäß – irgendeine Person auf dem Beifahrersitz irgendeines Autos sitzt. Ohne das Wissen über die Arbeit würde man das Kunstwerk somit unausweichlich übersehen und die Szenerie – wenn überhaupt – als eine Alltagssituation empfinden.

Gelingt mit person sitting in passenger seat of car eine Gradwanderung zwischen der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit eines Werkes, verfolgt Bader mit dem Film OSS, der eigens für den Kölnischen Kunstverein produziert wurde, gänzlich andere Ziele. Für den animierten Science-Fiction-Film schrieb Darren Bader das Drehbuch, das von einem wunderlich-komischen Wettbewerb bei den Vereinten Nationen handelt, in dessen Rahmen der Vorschlag ausgelost wird, Skulpturen für den Weltraum zu bauen. Den skurrilen Wesenszügen seiner sonstigen Arbeiten entsprechend sind auch die kosmischen Werke in gewisser Weise sonderbar, umfassen diese doch u.a. ein Fußballstadium, tausende Kuben gefrorener Kuhmilch oder etwa eine gigantische menschliche Hand, die in ferner Zukunft ins All gesandt werden. Darren Bader bietet mit OSS somit ein absurdes Theater, das irgendwo zwischen fantastischer Zukunftsvision, dem Glauben an die uneingeschränkten Möglichkeiten der Kunst sowie überambitioniertem Kunstfilm anzusiedeln ist. Zugleich erweitert er mit OSS das Spektrum seiner künstlerischen Praxis, deren Komplexität man bislang ohnehin schon kaum Herr werden konnte.

Neben OSS eröffnet auch die ebenfalls speziell für den Kölnischen Kunstverein produzierte Klangarbeit audio files neue Kategorien innerhalb des Werkes von Darren Bader: Auf 32 Lautsprechern präsentiert Bader nahezu zeitgleich hunderte von Musikstücken, die sich u.a. auf das Alte Testament, seine Kreditkartennummer, Hegels Dialektik, Edelgase oder die Bestandteile einer Linzer Torte beziehen. Das Resultat dieses ungewöhnlichen Zusammenspiels ist ein ohrenbetäubendes Getöse, das mit immenser Wucht den Kopf des Rezipienten verdreht und vielleicht jenes Geräusch erahnen lässt, das entsteht, wenn Darren Bader mit viel Humor die begrenzenden Mauern zwischen Konzeptkunst, Surrealismus und anderen Kunstformen zum Einstürzen bringt.